Alles anders: neu und komprimiert
Die Sonnenbrille habe ich dann doch vergessen! Herrje, wer im September am Mittwoch früh um 5Uhr bei Dunkelheit seine Sachen zusammensucht, schläft noch halb und denkt eben nicht an eine Sonnenbrille für den Trip in den Süden. Dafür aber an eine FFP2-Maske! Ich will nach Mailand!!! Nach 18 Monaten endlich wieder eine Messe und dann noch Italien!
Die Salone.del.Mobile in Mailand https://www.salonemilano.it/en hatte 2020 ausgesetzt und wie alle während der Corona-Pandemie 18 Monate lang einen Dornröschenschlaf gehalten. Jetzt hat sie wieder die Tore weit geöffnet. Weit? Na ja, geht so. Anstatt wie sonst im April wurde die Messe auf September 2021 verschoben und vieles wurde anders, nicht nur der Termin.
In den Hallen 1-4 sind die Aussteller untergebracht. Allen anderen Hallen blieben leer. Es ist also eine abgespeckte Version dieser Messe.
Besonders neugierig war ich auf die Ausstellungsflächen. Ich hatte bereits in den Vorankündigungen gelesen, dass es nur Stellwände geben soll. Und so war es: sehr folgerichtig, wie ich finde, in dem man Platz schuf und in "die Höhe" ging. Das heißt, jeder Aussteller konnte seine Produkte an entweder der Rückwand anbringen oder auf der schmal bemessenen Fläche davor. Das haben einige Aussteller, z.B. Molteni, gut zu nutzen gewusst. Viele andere stellte einige Möbel vor die Rückstellwand und hatten großformatige Hintergrundbilder oder Videos laufen. Andere hatten tatsächlich die Möbel an die Wand getackert.
Gleichzeitig findet in ganz Mailand die Design-Week statt https://www.milanoevents.it/2021/09/07/fuorisalone-milano-eventi-milano-design-week-date/#. Über die Stadt verteilt finden in den Stadtteilen Brera, Cittá und Duomo verschiedene hotspots statt, in denen bekannte Designerfirmen ausstellen. So finden sich allein in Brera 41 showrooms und in Cittá Milano 56!! ! Für mich in nur zwei Tagen - und ohne Sonnenbrille - nicht zu schaffen. Ich konzentriere mich auf das Messegelände Fiera in Rho.
So sehen die Gänge in den Hallen aus:
morgens früh, noch ohne Besucher hier: Molteni - wie Flugzeug-Gestühl - schöne Idee! oder so: kleine Ausstellungsfläche mit Hintergrundwand
Auf diese Weise bleibt recht viel Platz für Besucher*innen.
In den zwei Hallen gab es Rednerbühnen für die open talks, die wie ein Amphitheater aufgebaut waren. Die speaker saßen in der Mitte auf einem Podest und zu zwei Seiten gab es stufenansteigende Sitzmöglichkeiten.Übrigens die talks sind weitgehend nachhörbar, wenn man auf die website der Salone geht - unter "Insider" zu finden.
Nahe der Food-Bereiche gab es abgetrennte und transparente Zonen für Besprechungen oder um die Speisen und Getränke "geschützt" zu genießen. So kann man auch Zonieren!
Diese Messe wird durch die Organisation ForestaMi begleitet. Dies ist ein Projekt der Metropole Milan, der Regierung von Milano, der Regionalbehörde Lombardei und weiteren, die sich vorgenommen haben 3 Millionen Bäume per 2030 zu pflanzen, um die Luft zu reinigen, die Lebensbedingungen in und um Mailand zu verbessern und den Klimaveränderungen zu begegnen. Dieses Projekt wurde durch die Polytechnische Uni von Milano initiiert. Die Zusammenarbeit aller Promoter machte es möglich, einen wichtigen Blick auf das "Grün" und die Zukunft der Stadt und Umgebung Mailands zu werfen. https://forestami.org/en/il-progetto/.
Bereits am Vorplatz des Eingangs West stehen viele Einzelbäume in übergroße Übertöpfe gepflanzt. An jedem Topf gibt es eine Erklärung, um was für einen Baum es sich handelt.
Angekommen am Messegelände bin ich immer noch müde, aber ich brauche die vergessene Sonnenbrille gar nicht, denn es ist warm, aber bewölkt. Am Eingang werden die Tickets kontrolliert, die nur online zu kaufen sind, und man muss tatsächlich den Nachweis vorzeigen, dass man entweder gegen Covid19 geimpft oder genesen ist, oder einen Negativ-Test vorlegen. Außerdem wird bei jedem die Temparatur gemessen. Das überrascht mich dann doch, weil auf dem Airport Malpensa überhaupt keine Kontrollen bei der Einreise waren.
Noch etwas: während ich in meinem vorherigen Artikel über Dänemark schreibe, dass die Dänen und das Land gelassen sind, ist in Italien "Passione" und Lebenslust überall zu spüren. Es wird gestikuliert, schnell und laut gesprochen und der kleine Espresso in sich hineingeschüttet. Ach, Europa!!
Soweit zu den Rahmenbedingungen. Und was gab es nun an Produkten zu sehen? Was ich sagen kann, ist, dass die Aussteller die lange Zeit der Viruskrise genutzt gut genutzt haben.
In der Zeit, als unsere Wohnungen zu Heimarbeitsplätzen oder zur Zuhausebeschulung wurden und wir gemerkt haben, dass wir andere Räume und/oder Einrichtungen benötigen, haben die Hersteller kleinere, flexiblere und multifunktionale Produkte geschaffen. Dieser Trend ist nicht aufzuhalten. Hier sind ein paar Fotos dazu:
Eine Auswahl von Arbeitsmöglichkeiten entweder fürs Büro oder fürs Homeoffice. Es gibt inzwischen ganze Branchen, die sich der Veränderungen von Arbeitsmöbeln gewidmet haben.
Auch für die anderen Räume gab es schöne Ideen, so einen hohen runden Schrank fürs Bad, der beggehbar ist. Andere, die kleine Nischen ausfüllen. Das oben abgebildete Stufenmodell lässt sich auch im Kinderzimmer einsetzen, zum Verstauen von Spiel- und/oder Schulzeug, Kleidung und zum Sitzen, und es lässt sich ganz einfach herumfahren.
Und ich habe eine Küche gesehen, in der sich alles Mögliche versenken und verstecken lässt.
Die Formen sind auch hier, wie derzeit fast überall, rund, kuschlig und versprechen Geborgenheit. Dazu kommen haptische Oberflächen wie Cord, Samt, Boucle und grobere Textilien. Man fühlt sich eingeladen sich hineinzufläzen.
Zu den Farben: es gibt starke kräftige Farben zu sehen und auch einige tolle "eyecatcher" sind darunter. Aber natürlich sind die helleren Pastelltöne auch immer noch an der Tagesordnung. Mein Favorit ist sand .... (auch in der Mode).
Und was ich sehr mag - auch in der Einrichtung - sind Überraschungen. Unser Gehirn mag Kontraste oder Unerwartetes, es gab einige nette Ideen zu finden, die schmunzeln machen.
Schöne Lichtelemente von Artemide (links)
Bilder unten (von links)
kleine formschöne Schale mit Auslassung
Thronsessel - für Narren?
Lichtelement in der Wand - durch Spielzeug-Eisenbahnschienen verschönt
lustige Keramikhocker
Legoähnliches Design
schöne Farbkombination
Am Abend im Hotel steige ich um in meine römischen Zehensandalen und gehe in eine Pizzaria. Ich staune, weil an einem Mittwochabend so viel Volk unterwegs ist. Es entsteht bei mir ein lange vergessenes Gefühl: am Abend draußen sitzen, ohne Jacke, im Restaurant mit vielen Menschen und Saxophonbegleitung, Bellissima!!
Und als ich am zweiten Tag durch die Hallen schlendere, stehe ich plötzlich vor einem Stand von "Hausen/Hamburg". Als Hamburgerin spreche ich die zwei Jungs von studio hausen studiohausen.com natürlich an und bin verdutzt, dass ich die schönen Design-Produkte nicht schon vorher bemerkt habe. Wir "schnacken" und wir stellen fest, dass ich die Regale doch schon auf der blickfang-Messe gesehen hatte. Sie sind aus Vollholz, natürlich bearbeitet und die Gestaltung bleibt einem jedem selbst überlassen. Eine schöne Idee. Mit gefallen auch die Glasschalen in den schönen Farben, die "Sphere Bowls" von Milena Kling. Ich wünsche ihnen wirklich viel Erfolg, den sie aber auch offensichtlich haben.
Für mich geht die Reise jetzt wieder zurück nach Hamburg. Mailand gefällt mir sehr. Bestimmt komme ich nochmal wieder privat her, um all die vielen Gassen mit dem Design-Shops und Restaurants zu erkunden.
In mein Postfach platzen jetzt viele Einladung zu weiteren anstehenden Messen herein, wie
die Maison et Objet in Paris, 3 days of design in Copenhagen, die London Design Week und die Helsinki Design week.
Jede von ihnen ist sicher einen Besuch wert, aber ich kann keine besuchen, weil ich nächste Woche in Urlaub gehe. Hoffentlich vergesse ich die Sonnebrille nicht!
Arrivederci, Ciao - Milano!
Alle Fotos: Erika Mierow, September 2021